Dies sind die bisherigen Ergebnisse zum Themenschwerpunkt Qualifizierungsmodelle für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die im Rahmen der dialogischen Themenarbeit im Projekt Mapping OER erabeitet wurden. Sie wurden während unseres Themenworkshops am 15. und 16. Oktober in Berlin vorgestellt.
Eingeflossen ist hierin der aktuelle Stand aus der Ist-Analyse zu freien Bildungsmaterialien (OER), die Ergebnisse aus dem Analyse-Workshop, die bisherigen Fachbeiträge zum Thema Qualifizierungsmodelle, die auf unserer Projektwebseite veröffentlicht wurden, sowie ergänzende Publikationen zum Thema, wie sie z. B. im Rahmen der Whitepaper für Schule, Hochschule und Weiterbildung und des “Berichts der Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der Länder und des Bundes zu Open Educational Resources (OER)” genannt werden.
Innerhalb der Ergebnisse sind drei Aspekte zentral: Zum einen das Bewusstsein für die urheberrechtliche Problemstellung, das oftmals nicht vorhanden ist. Des Weiteren die veränderten Erstellungs- und Nutzungsprozesse bei der der Arbeit mit Open Educational Ressources. Zuletzt geht es bei der Frage nach Qualifizierung immer um zeitliche und personelle Kapazitäten und die damit verbundene Frage nach der Motivation, z. B. durch Anerkennung und Wertschätzung.
Im Rahmen des Projekts Mapping OER scheinen bislang drei Grundvoraussetzungen für die Etablierung von OER-Qualifizierungsmodellen benennbar:
1. Die Rolle der Digitalisierung darf im Hinblick auf die technischen Kompetenzen und die Ausstattung innerhalb der Bildungsorte nicht vergessen werden. Eine Anpassung der Modelle an die Gegebenheiten vor Ort muss sichergestellt werden.
2. Das Lernsetting bzw. die verschiedenen Lerntypen müssen mitbedacht werden: Wo und wie lernen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren? Es müssen Modelle für verschiedene Lerntypen und Nutzerprofile bereitgestellt werden, die auf deren Bedürfnissen basieren.
3. Des Weiteren muss bedacht werden, dass sich Qualifizierungsmodelle insgesamt in zwei Typen einteilen lassen: zentrale und damit institutionell angebundene und dezentrale und damit non-formale Angebote.
Im Fokus: Die Bildungsbereiche
Im Folgenden werden zentrale Aspekte zu den vier Bildungsbereichen im Hinblick auf deren Besonderheiten zusammengefasst. Als Ergänzung dazu dient die folgende Übersicht aus der Ist-Analyse zu freien Bildungsmaterialien (OER):
Wichtig ist, bezogen auf die Qualifizierung von Lehrenden für den Bereich Schule, die zweigeteilte Ausbildung, sprich die Trennung zwischen Universitäten und staatlichen Studienseminaren. Im Studium bietet es sich an, OER im Kontext des wissenschaftlichen Arbeitens zu integrieren. Besonders, da Kenntnisse über rechtliche Themen bei der Nutzung und Erstellung von Materialien immer wieder als zentraler Punkt, nicht nur für OER, genannt werden. Eine Hürde stellt für übergreifende Modelle die föderale Struktur der staatlichen Lehrerfortbildung dar. Es gibt nur wenige zentrale Akteure aus der Praxis. Als zentrale Akteure kommen daher Landesmedienzentren und Universitäten zum Tragen, wobei bei letzteren die geringe Vernetzung eine weitere große Herausforderung darstellt. Interessant ist, dass Lehrkräfte sich überdurchschnittlich viel an informellen Bildungsangeboten beteiligen. Hier wird also wieder die Schnittstelle zwischen non-formaler Weiterbildung und Schule sichtbar. Die Nutzung von OER, die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf OER und die Rolle der Eltern dabei ist insgesamt jedoch noch zu wenig erforscht.
Wichtiges Merkmal im Hinblick auf die Qualifizierung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ist im Hochschulbereich die “Freiheit der Lehre” als zentrales Element. Im Gegensatz zum Bildungsbereich Schule gibt es hier den Drang nach einer Individualisierung sowohl seitens der Universitäten als auch auf Seiten der Dozierenden. Dieser macht sich auch auf Ebene der Materialien bemerkbar. Zudem gibt es bislang nur wenige Kooperationen zwischen Hochschule und Dozierenden einerseits und zwischen einzelnen Hochschulen andererseits. Als zentrale Akteure kommen daher die an die Hochschulen angegliederten hochschuldidaktischen Einrichtungen (z.B. E-Learning Zentren) in Frage. Aber auch die Rolle der Bibliotheken muss sowohl für Hochschule als auch für Weiterbildung geklärt werden. Das Thema OER sollte hier an das bereits etablierte Thema Medienkompetenz angedockt werden.
„Meines Erachtens ist ein fruchtbares Umfeld, in dem OER gelebt werden können, eine wichtige Voraussetzung vor allem für die Produktion von OER. Damit meine ich einerseits ein zumindest grundlegendes Bekenntnis der Hochschule zu offenen Bildungsressourcen und die Möglichkeit für Lehrende, Materialien unter freien Lizenzen in irgendeiner Form zur Verfügung zu stellen.”1
Ein prozesshaftes Arbeiten hat sich im Hochschulkontext bereits etabliert, was vor allem im Hinblick auf Peer-Review-Verfahren und die Arbeit in Fachredaktionen deutlich wird. Dies könnte für die Etablierung von OER im Bereich der Hochschule hilfreich sein. Insgesamt ist allerdings die Rolle der Studierenden bisher noch zu wenig erforscht. Sie könnten jedoch über Tutorenschaften und wissenschaftliche Mitarbeit beratende Funktionen übernehmen und auf diese Weise an Bedeutung gewinnen.
Insgesamt gibt es im Bildungsbereich der beruflichen Bildung noch wenig bekannte Praxisanwendungen von OER. Als zentrale Akteure sind das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB), die Betriebe und die Industrie- und Handelskammer (IHK) als zentrale Prüfstelle zu nennen. Die Trennung zwischen schulischer und betrieblicher Ausbildung macht auch nochmal die unterschiedliche Ausbildung der Berufsschullehrenden innerhalb der beruflichen Bildung deutlich. Auszubildende qualifizieren sich teils durch ein Studium, teils durch eine Weiterqualifizierung.
“Der fehlende Einsatz von OER im Bereich der beruflichen Bildung ist umso erstaunlicher, wenn man den hohen Stellenwert dieses Segments im Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland in Betracht zieht.”2
Der Bereich der Weiterbildung ist für die Etablierung (besonders non-formaler) Qualifizierungsmodelle von übergreifender Wichtigkeit für alle Bildungsbreiche, wie im Bereich Schule bereits sichtbar wurde. Wichtig ist hier die Trennung zwischen Erwachsenenbildung und selbstorganisiertem Lernen. Hier ist durch die Offenheit des Bereiches durch dezentrale Strukturen auch viel Spielraum für innovative Modelle. Zentrale Akteure im Bereich der Erwachsenenbildung sind die Volkshochschulen. Im Kontext des selbstorganisierten Lernens haben sich diverse Plattformen etabliert, die individuelle Modelle für ganz unterschiedliche Lerntypen anbieten. Zu nennen sind zudem auch Akteure aus dem Querschnittsfeld der beruflichen Weiterbildung, wie Kammern und Verbände. Insgesamt beinhaltet dieser Bildungbereich den sehr großen und umfassenden Bereich des informellen und selbstorganisierten Lernens, welchem aus allen Bildungsbereichen großes Potential zugesprochen wird.
“Eine OER-Schulung lässt sich zu den medienbezogenen Angeboten zählen – und diese haben beim pädagogischen Personal und bei den Vorgesetzten keine hohe Priorität.”3
Zusammengefasst lässt sich Folgendes feststellen: Bislang gibt es insgesamt wenig Qualifizierungsangebote für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zu OER. Dennoch kann aus allen untersuchten Bildungsbereichen ein hoher Bedarf an Beratung festgestellt werden. Für eine Qualifizierung sind, im Hinblick auf unterschiedliche Lerntypen und Lernszenarien sowohl formale als auch informelle Angebote wichtig. Um Qualifizierungsmodelle zu etablieren, müssen die Motivationen zur Qualifizierung näher beleuchtet werden. Die User und/oder Teilnehmenden stehen also im Zentrum. Blickt man in bestehende Bereiche, vor allem Schule und Hochschule, so scheint es sinnvoll Medienkompetenzen auszubauen und zu erweitern.
Fußnoten
- Markus Schmidt, Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen, Ist-Analyse zu freien Bildungsmaterialien (OER), S.98
- Dr. Bodo Rödel, BIBB, Mapping OER, 15.09.2015
- Hippel & Tippelt, 2009, vgl. Ist-Analyse zu freien Bildungsmaterialien (OER), s. 141