Bild: Ben Bernhard, https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/


Alternative Finanzierungsmöglichkeiten für OER

In unserem letzten Beitrag wurden nachhaltige Geschäftsmodelle für OER am Beispiel von Open-Source erörtert. Weiterführend wird sich Julia Kaltenbeck in unserem heutigen Blogbeitrag mit alternativen und begleitenden Finanzierungsmöglichkeiten für OER-Projekte befassen. Primär richtet Kaltenbeck dabei den Fokus auf die Modelle Crowdfunding und Social Payments und erklärt anhand von konkreten Praxisbeispielen, wie eine ganzheitliche Planung von OER-Projekten auch mittels Teilfinanzierung funktionieren kann. Kaltenbeck betont, dass es für die Projektumsetzung unabdingbar sei, sich vorab über die Besonderheiten von Finanzierungsmöglichkeiten zu informieren, um zu wissen, welche für das eigene OER-Projekt passend sind und genutzt werden können. Wie schätzen Sie das Potential der vorgestellten Finanzierungsmöglichkeiten für OER ein? Wir freuen uns über Ihre Anregungen und Ideen.

Crowdfunding, Social Payments und Open Educational Resources

Open Educational Ressources (OER, dt. offene Bildungsressourcen) sind nicht nur je nach Lizenzierung frei verwendbar, sondern werden auch üblicherweise im Web kostenfrei zur Verfügung gestellt. Dennoch ist der Prozess von der Planung über die Erstellung bis hin zur Qualitätssicherung und Verteilung von OER nicht kostenfrei. Oftmals spielen ehrenamtliche Arbeit und/oder Förderungen von höherer Ebene (z.B. öffentliche Stellen wie das Land oder der Bund, Stiftungen, Interessenverbände, etc.) in der Finanzierungsfrage eine große Rolle. Doch auch diese sind nicht immer im vollen Ausmaß gewährleistet. In diesem Textbeitrag sollen zwei neue alternative Finanzierungsmöglichkeiten für OER-Projekte erörtert werden: Crowdfunding und Social Payments.

Crowdfunding

Der Begriff Crowdfunding besteht aus den Wörtern „crowd“ (dt. Menschenansammlung) und „fund“ (dt. finanzieren). Daraus lässt sich bereits ableiten, dass mit Hilfe von mehreren Personen etwas Konkretes finanziert werden soll. Bekannte und populäre Crowdfunding-Plattformen im Web sind unter anderem Kickstarter, IndieGogo und Startnext (hierzulande die größte Crowdfunding-Plattform im deutschsprachigen Raum mit Schwerpunkt auf kreativen, kulturellen und sozialen Projekten). Bei den Crowdfunding-Plattformen steht Sponsoring im Austausch mit nicht monetären Gegenleistungen im Vordergrund: Erst wenn ein auf der Crowdfunding-Plattform gestartetes Projekt innerhalb einer zuvor festgelegten Zeitspanne die Zielsumme mit Hilfe der gesammelten Sponsoring-Gelder erreicht, dann kann das Projekt durchgeführt werden und im Gegenzug die Gegenleistungen verteilt werden. Andernfalls gehen die dem Projekt zugesprochenen Sponsoring-Gelder wieder zurück an die Sponsoren. Dies entspricht dem „Alles oder Nichts“-Prinzip. Einerseits haben die Sponsoren wenig Investitionsrisiko und andererseits verfügt die Projektorganisation bei der tatsächlichen Projektumsetzung über das vollständige kalkulierte Zielbudget.

„Realisiert wird, was Leute sehen und hören wollen. Die Masse der Internet-User wird zum Mäzen 2.0“1

Auf manchen Crowdfunding-Plattformen (z.B. IndieGoGo) gibt es zusätzlich die Variante, dass die Sponsorengelder sofort dem Crowdfunding-Projekt zugeordnet werden, auch wenn nach Zeitablauf das zuvor festgelegte Budgetziel nicht erreicht wurde.

Crowdfunding eignet sich meiner Ansicht nach gut dazu, ein klar umrissenes Teilprojekt im übergeordneten OER-Vorhaben zu finanzieren. So wäre es beispielsweise denkbar, via Crowdfunding die Kosten eines hinzugezogenen Fachexperten zu finanzieren oder einen Designer zu beauftragen, um die visuelle Aufbereitung der OER zu verbessern. Ebenso kann ein Lektorrat beauftragt oder nötige kostenpflichtige Materialien für Recherchen finanziert werden. Eine besondere Herausforderung ist aber die fast komplette Finanzierung eines OER-Projektes, wie es sehr gut am Beispiel vom Crowdfunding-Projekt „Schulbuch-O-Mat“ erkennbar ist (siehe Fallbeispiele). In diesem Fall wird die Latte, nämlich jener des Budgetziels, meistens hoch gesteckt und somit unweigerlich ein großer Druck auf die Projektorganisation erzeugt, da es schließlich bei der klassischen Crowdfunding-Variante („Alles oder Nichts“) um ein „Do it“ oder ein „Not do it“ in Bezug auf das gesamte OER-Vorhaben geht. Klar ist es auch, dass Sponsoren eher in ein Crowdfunding-Projekt investieren, wenn schon eine gewisse Basis existiert und nur noch mehr zusätzliche Module finanziert bzw. „freigeschaltet“ werden sollen. Zudem erhöht eine vorhandene Basis die Glaubwürdigkeit des Crowdfunding-Projektes und kann die Sponsoren in ihrer Meinung bestärken, dass es tatsächlich erfolgreich umgesetzt werden kann.

Abseits der (Teil-)Finanzierung eines OER-Vorhabens zieht Crowdfunding aber auch weitere Vorteile mit sich. Um das Interesse, aber auch das Vertrauen der Sponsoren für das OER-Crowdfunding-Projekt zu gewinnen, ist eine klare und transparente Kommunikation erforderlich: Wohin fließen die Sponsoring-Gelder? Wie schaut der konkrete Zeitplan der Projektumsetzung aus? Welche Inhalte sollen die freien Bildungsressourcen berücksichtigen? Wann sind die ersten Ergebnisse zu erwarten? Wie werden die Ergebnisse veröffentlicht? Sponsoren investieren in ein OER-Crowdfunding-Projekt, wenn sie daran interessiert sind und es realisiert haben wollen. Daraus kann sich ein weitaus engerer Bezug der Sponsoren zum gesamten OER-Vorhaben entwickeln, als es bei Außenstehenden der Fall ist, die nicht gleichermaßen in diesem Prozess involviert sind. Sponsoren sind daher oftmals die ersten Konsumenten der OER und können in weiterer Folge via Mundpropaganda die Werbetrommel für das gesamte OER-Vorhaben rühren. Crowdfunding kann somit nicht nur als alternatives Finanzierungsmodell, sondern auch als alternative Marketingmaßnahme gesehen werden.

Folgend werden OER-Projekte beschrieben, die bereits auf Crowdfunding als alternatives Finanzierungsmodell zurückgegriffen haben.

Fallbeispiel: Schulbuch-O-Mat

Heiko Przyhodnik und Hans Hellfried Wedenig haben das Projekt „SCHULBUCH-O-MAT“ auf der Crowdfunding-Plattform Startnext mit dem Ziel gestartet, das erste offene und freie elektronische Schulbuch in Deutschland zu erstellen. Innerhalb von zweieinhalb Monaten wurden von mehr als 200 Sponsoren das Budgetziel von 10.000€ erreicht, womit die Grundfinanzierung des OER-Projektes sichergestellt wurde. Als Gegenleistungen wurden unter anderem ein Schulbuch-O-Mat-Shirt, eine Nennung auf der eigenen Web-Präsenz, sowie eine Kapitelnennung angeboten.2

Doch der Weg zu einer erfolgreichen Crowdfunding-Präsenz und Umsetzung  war steinig. Aufgrund von fehlenden Beschreibungen über den genauen Verwendungszweck der Sponsorengelder, mangelnder Informationen (z.B. über die Lizenz) und kritischer Kommentare anderer Startnext-Benutzer schien das Crowdfunding-Projekt zunächst zum Scheitern verurteilt zu sein. Gerade noch rechtzeitig raffte sich die OER-Gemeinde zusammen und konnte binnen sieben Tagen doch noch die erforderliche Geldsumme aufbringen. Weitere Umsetzungsprobleme erschwerten die Arbeiten am OER-Projekt, bis das Schulbuch trotz allem erfolgreich im Web kostenfrei zur Verfügung gestellt werden konnte.3

Fallbeispiel: SmartHistory

In Beth Harris und Steven Zucker reifte die Idee, mit Hilfe von Crowdfunding ein Multimedia-Webbuch über Kunstgeschichte als OER unter der „Creative Commons Attributions-Noncommercial Share Alike 3.0“-Lizenz zu veröffentlichen. Mit Hilfe der Sponsoring-Geldern sollten 100 Videos mit professioneller Unterstützung erstellt werden. 268 Unterstützer konnten die erforderliche Geldsumme von $10.000 aufbringen, wobei durchschnittlich $10-50 von jedem gesponsert wurde. Die meisten Unterstützungen fanden knapp nach Beginn und vor Ende des Crowdfunding-Projektes statt.4

Zusammenfassend kann anhand dieser Fallbeispiele aufgezeigt werden, dass Crowdfunding großes Potential in sich trägt, jedoch keinesfalls als einfaches Mittel zur nötigen Finanzierung gesehen werden darf. Ganz im Gegenteil: Wer auf Crowdfunding zurückgreift, muss hochgradig flexibel, transparent und kommunikativ vorgehen.

Social Payments

Die wohl geeignetste Metapher für Social Payments ist jene des Sparschweins: Social Payments oder auch Micro Payments genannt, sind Kleinstspenden für bereits existierende Inhalte, ohne dass dafür ein Austausch von Gegenleistungen stattfindet. Im Gegensatz zu Crowdfunding nimmt somit die Motivation der Spender, etwas via Social Payments zu geben, andere Formen an: Anstatt wie bei Crowdfunding ein Projekt einmalig gemeinsam finanziell zu realisieren, steht bei Social Payments die Würdigung und Anerkennung des zugrundeliegenden Inhalts aus Sicht eines Einzelnen im Vordergrund. Social Payments kann somit  vielmehr zur Teilunterstützung für die Aufrechterhaltung des OER-Angebots oder für eine eventuelle Überarbeitung im Rahmen einer Neuauflage dienen. Dadurch, dass aber selbst über eine längere Zeitspanne nicht viel zusammenkommt, weil sich die Spenden im geringen Wertebereich abspielen, ist Social Payments aus rein finanzieller Sicht gesehen wenig attraktiv. Die gesammelten Spenden bei Social Payments sind im Verhältnis zum Aufwand der Inhaltserstellung marginal und lediglich als begleitende Finanzierungunterstützung zu verstehen. Ein denkbarer und vernünftiger Einsatzzweck von Social Payments in OER könnte darin liegen, das Bewusstsein der OER-Konsumenten dafür zu erhöhen, dass bereits erstellte OER auch laufende Spenden benötigt. Die bekannteste deutschsprachige Social-Payments-Plattform im Web ist Flattr.

Fazit

Die in diesem Textbeitrag vorgestellten Finanzierungsmodelle – Crowdfunding und Social Payments – können als begleitende alternative Finanzierungsmodelle für ein OER-Vorhaben in Betracht gezogen werden. Vor dessen Einsatz ist es jedoch unabdingbar, sich nicht nur über den Ablauf zu informieren, sondern auch über deren Stärken und Schwächen bewusst zu sein, um die „crowd“ tatsächlich auch erreichen zu können. Das Gros der anfallenden Kosten bei der Entwicklung und Bereitstellung von OER soll jedoch bereits von anderer Seite, z.B. von öffentlicher Hand, sichergestellt werden.

Weiterführende Literatur

Crowdfunding und Social Payments. Im Anwendungskontext von Open Educational Resources., 1. Buch der Reihe „Beiträge zu offenen Bildungsressourcen“ von BIMS e.V. August 2011. Autor: Julia Kaltenbeck. Herausgeber: Martin Ebner und Sandra Schön, BIMS e.V. Lizenz: CC-BY-NC-ND 3.0 Deutschland Lizenz.

Die Entstehung des ersten offenen Biologieschulbuchs. Evaluation des Projektes „Schulbuch-O-Mat“, Diskussion und Empfehlungen für offene Schulbücher. 6. Buch der Reihe „Beiträge zu offenen Bildungsressourcen“ von BIMS e.V. 2014. Autor: Martin Ebner, Martin Schön, Sandra Schön und Gernot Vlaj, Herausgeber: Martin Ebner und Sandra Schön. Lizenz: CC BY-SA.

Ist-Analyse zu freien Bildungsmaterialien (OER). Juni 2015. Autor: Martin Ebner, Elly Köpf, Jöran Muuß-Merholz, Martin Schön, Sandra Schön und Nils Weichert, Herausgeber: Wikimedia Deutschland e. V. – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens. Lizenz: CC BY 4.0.

Autorin

Julia Kaltenbeck studierte Softwareentwicklung und Wirtschaft an der Technischen Universität Graz, sowie IT und IT-Marketing an der Fachhochschule der Wirtschaft (Campus02) in Graz. Die ersten Berührungspunkte zu Crowdfunding und Social Payments entstanden im Rahmen ihres Masterprojektes an der TU Graz. Daraus entstand das 1. Buch der Reihe „Beiträge zu offenen Bildungsressourcen“ von BIMS e.V. unter dem Titel „Crowdfunding und Social Payments. Im Anwendungskontext von Open Educational Resources.“ Heute arbeitet sie als Softwareentwicklerin am CAMPUSonline an einem Websystem für Universitäten und Hochschulen.

Fußnoten

  1. Anna Lena Mösken. Frankfurter Rundschau. 27.12.2010. Kickstarter für Ideen. Abgerufen am 27.12.2010.
  2. Vgl. SCHULBUCH-O-MAT. Schulwissen in freie E-Books gepackt! Crowdfunding-Projekt auf Startnext, erstellt von Hans Hellfried Wedenig und Heiko Przyhodnik. Abgerufen am 29.10.2015.
  3. Die Entstehung des ersten offenen Biologieschulbuchs. Evaluation des Projektes „Schulbuch-O-Mat“, Diskussion und Empfehlungen für offene Schulbücher. 6. Buch der Reihe „Beiträge zu offenen Bildungsressourcen“ von BIMS e.V. (2014). Urheber: Martn Ebner, Martin Schön, Sandra Schön und Gernot Vlaj. Abgerufen am 29.10.2015. Lizenz: CC BY-SA.
  4.  Smarthistory — Art. History. Conversation. Crowdfunding-Projekt auf Kickstarter, erstellt von Dr. Beth Harris, Dr. Juliana Kreinik und Dr. Steven Zucker. Abgerufen am 29.10.2015.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Ein Kommentar

Eine sehr schöne Übersicht der unterschiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten. Insbesondere das Interesse an Crowdfunding steigt immer weiter an. Dadurch haben sich in der Vergangenheit schon tolle Projekte finanzieren lassen.