In seinem Beitrag diskutiert John Weitzmann, inwiefern Creative-Commons-Lizenzen für freie Bildungsmaterialien (OER) geeignet sind, ob sich im Bildungsbereich vielleicht auch eine spezielle OER-Lizenz anbieten würde oder ob eine allgemeine Bildungsschranke im Urheberrecht die Lösung sein könnte. Kann man „Bildung“ überhaupt gut genug eingrenzen, um die für diesen Zweck erstellten Materialien unter einer bestimmten Lizenz zu veröffentlichen? Welche Probleme ergeben sich wiederum bei der Anwendung der Creative-Commons-Lizenzen, von denen bekannterweise nicht alle frei im Sinne von Open Educational Resources sind? Und wie praxisnah sind all diese lizenzrechtlichen Vertragswerke, wenn sie für Inhaltserstellende und -nutzende nur schwer bzw. kaum zu verstehen sind?
Wie immer freuen wir uns über Ihre Kommentare, Anmerkungen und Anregungen, welche der drei aufgezeigten Möglichkeiten am besten zu freien Bildungsmaterialien passen könnte.
Sind eine allgemeine Bildungsschranke im Urheberrecht, freie Lizenzen oder eine spezielle OER-Lizenz die Lösung?
I. Lizenzen vs. Schrankenregelung
Gerade im Umfeld von Open Content und OER wird eine grundsätzliche Frage der Herangehensweise oft übergangen, nämlich die nach dem Verhältnis von Lizenzmodellen und Gesetzesrecht. Dabei genügt ein Blick in die Geschichte des Open Content, um das Verhältnis zu verstehen. Die verschiedenen heute bekannten Lizenzsysteme und der ganze Ansatz, an die Allgemeinheit gerichtete sogenannte „Jedermannlizenzen“ zu entwickeln, ist eine Reaktion auf gesetzgeberisches Unterlassen. Statt ein ausgewogenes, auch die Nutzerinteressen angemessen berücksichtigendes Urheberrecht zu schaffen, haben die Gesetzgeber weltweit über Jahrzehnte vor allem dessen Verschärfung und eine Verlängerung der Schutzfristen vorgenommen.
Was Lizenzmodelle wie das von Creative Commons versuchen, ist, auf dem Umweg über vertragliche Regelungen einen alternativen Standard zu etablieren, der mehr Raum für Kreativität und Zugang lässt als das klassische auf Verknappung angelegte Urheberrechtssystem. Da hierfür rechtliche Regeln in Form von standardisierten Lizenzverträgen eingesetzt werden, sprechen manche auch von einem „rechtlichen Hacking“, das diese Lizenzsysteme letztlich darstellten. Ein Vorteil dieses Weges gegenüber veränderten gesetzlichen Regeln ist zweifellos, dass man sich – anders als bei Gesetzen – für oder gegen ihn entscheiden kann und dadurch die Selbstbestimmtheit des Einzelnen in den Vordergrund gerückt wird. Aber es ist und bleibt ein Umweg, eine zweitbeste Lösung für das Problem, dass der gesetzliche Normalschutz des „alle Rechte vorbehalten“ von vielen als zu restriktiv angesehen wird.
Und dieser Umweg hat rechtstechnisch auch massive Schwächen gegenüber gesetzlichen Regeln. Eine der größten ist der Umstand, dass Lizenzen immer nur zwischen denen wirken, die als Lizenzgeber und Lizenznehmer als Parteien dieser Verträge anzusehen sind. Für alle anderen gilt dagegen der gesetzliche Normalfall. Lizenzen sind insofern relatives Recht, das Urheberrechtsgesetz dagegen gewährt absolute Rechte. Was wie ein theoretischer Unterschied klingen mag, hat in der Praxis weitreichende Folgen: Schon beim Zustandekommen eines Lizenzvertrages kann so einiges schiefgehen: Lizenzhinweise können übersehen werden oder im Zuge der Weitergabe von Inhalten ganz verloren gehen, aus dem Kontext kann die rechtliche Reichweite einer Lizenz mal so mal so zu bewerten sein. All dies gilt für gesetzliche Regelungen nicht. Sie gelten, ob man sie kennt oder nicht.
Innere Komplexität von (Lizenz-)Verträgen
Aufgrund der weitreichenden Vertragsfreiheit müssen in Verträgen zudem viel mehr Dinge viel genauer und immer wieder neu geregelt werden, die sich bei gesetzlichen Regelungen im Zweifel aus grundlegenden Gesetzen des jeweiligen Rechtsgebiets, also beim Zivilrecht etwa aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergeben. In Lizenzen wird daher meist nicht nur geregelt, was man darf und was nicht, sondern auch für wie lange man es darf, welche Haftungsregeln gelten sollen, wann der Vertrag wie endet, wie die Haftung verteilt sein soll und vieles mehr.
Dadurch entsteht eine innere Komplexität, die gegenüber gesetzlichen Regelungen oft deutlich kleinteiliger und schwieriger zu handhaben ist. Sie birgt deutlich mehr Stoff für Unklarheiten, Fehler und Streit als gesetzliche Regeln, die natürlich auch mitunter komplexe Geflechte bilden können. Auch ist es keineswegs so, dass man in Lizenzen wenigstens alle entscheidenden Regeln an einem Ort versammelt finden könnte. Das Gesetzesrecht überlagert die relativen Regeln des Vertrages, moduliert sie, lässt sie unwirksam sein oder regelt Ausnahmefälle auf ganz unerwartete Weise.
Sukzessionsproblematik
Spätestens wenn Lizenzverträge nach ihrer Entstehung aus irgendwelchen Gründen scheitern, wird es auch für gestandene Juristen sehr schwierig. Dann brechen unter Umständen nachfolgende Teile einer Lizenzkette nachträglich weg oder werden nur noch im Rahmen ausgefeilter Sukzessionsregeln als teilweise bestehend angesehen. Diese Regeln sind größtenteils Richterrecht, stark an Einzelfällen entlang entwickelt worden und reichen bis weit ins Insolvenzrecht hinein. Bei gesetzlichen Regeln dagegen kann es zu dieser Art „Unfällen“ kaum kommen.
Die Open-Content-Lizenzmodelle versuchen zwar, die hier genannten Schwierigkeiten durch bestimmte Konstruktionen zu umschiffen und der ein oder andere Paragraph im Urheberrechtsgesetz wurde auch angepasst, um dies zu erleichtern. Aber auch der beste Standardvertragstext kann keine Wunder vollbringen und einen wirklich mit gesetzlichen Regeln gleichwertigen alternativen Standard etablieren. Es bleiben immer ganz grundlegende Schwierigkeiten bestehen, die dem Vertrag als Mittel von Natur aus anhaften.
Stückwerk für die Bildung
Umso mehr kommt es auch in der Praxis auch auf die Funktionsweise des Urheberrechtsgesetzes an. Darin sind durchaus Privilegien für die Bildung vorgesehen, die eine Nutzung von Werken in und durch Bildungseinrichtungen erleichtern sollen. Diese privilegierenden Regeln sind nur zum einen über diverse Paragraphen verteilt und zum anderen unter Juristen geradezu legendär in der Art und Weise, wie sie mit unbestimmten Rechtsbegriffen, Ausnahmen, Rückausnahmen und Vorbehalten versehen sind.
Dies ist das Ergebnis der historischen Entwicklung, durch die in immer neuen Überarbeitungsrunden und zähem Gezerre verschiedener Interessengruppen letztlich so unübersichtliche Regeln herauskamen, dass es externer Krücken wie Verträgen zwischen staatlichen Stellen und dem Verband der Bildungsmedienhersteller bedarf, um all die unklaren Einzelregelungen mit irgendeiner konkreten Bedeutung zu versehen. Und gerade das Internet und die digitalen Medien werden nicht selten ganz außen vor gelassen von den Sonderregelungen zugunsten der Bildung.
Man mag sich kaum vorstellen, wie viele rechtliche Friktionen beseitigt und wie viel neue Möglichkeiten dadurch geschaffen werden könnten, wenn eine einfach formulierte, zentrale gesetzliche Regelung zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte in Bildungseinrichtungen geschaffen würde – eine allgemeine Bildungsschranke. Selbst wenn diese nur auf den staatlichen Bildungssektor beschränkt bliebe, würden sich zumindest die Lehrenden und Lernenden in diesem Sektor nicht länger einem absurden Regelungs-Urwald gegenüber sehen oder auf bürgerschaftliche Initiativen wie lizenzbasierte Open-Content-Kontrukte verwiesen sein, mit all den Schwächen, die diese Ansätze von Natur aus haben
II. Allgemeine Open-Content-Lizenz vs. spezielle OER-Lizenz
Regelmäßig ist in Debatten der Vorschlag zu hören, es solle eine spezielle OER-Lizenz entwickelt werden. Gemeint ist dann üblicherweise eine an etablierte Open-Content-Lizenzmodelle wie das von Creative Commons angelehnte neue Standardlizenz, bei der die rechtliche Freigabe jedoch auf eine Nachnutzung zu Bildungszwecken begrenzt ist. Allgemeine Open-Content-Lizenzen machen dagegen keinerlei sachliche Vorgaben, was den Zweck weiterer Nutzungen angeht (einzig die CC-Lizenzvarianten mit der Einschränkung NC grenzen die Freigabe auf nicht-kommerzielle Zwecke ein, machen aber auch dabei keinen Unterschied, was dieser nicht-kommerzielle Zweck sachlich umfasst).
Die Argumente für eine spezielle OER-Lizenz hören sich oft zunächst plausibel an. Es wird bespielsweise darauf verwiesen, dass manche Ersteller von Materialien dann eher dazu bereit sein könnten, ihre Werke rechtlich für die Allgemeinheit freizugeben, wenn diese Freigabe auf Bildungszwecke begrenzt ist und damit nicht auch die Nutzung etwa durch Werbeagenturen oder die Waffenindustrie einschließt. Es mag sogar sein, dass der Schritt der Freigabe dann leichter fällt und eine solche spezielle OER-Lizenz gerade für Institutionen eine Art Brücke sein könnte, um irgendwann später dann zu einer noch freieren Lizenzpraxis überzugehen.
Das unmittelbare Ergebnis aber wäre eine ganze Menge an Inhalten, deren praktische Nachnutzbarkeit stark reduziert wäre und die schon wegen der sachlichen Eingrenzung auf Nachnutzbarkeit nur für Bildung keinesfalls als Open Content anzusehen wären, denn keines der klassischen Grundsatzdokumente für Open Access (Budapester Erklärung, Berliner Erklärung, freedomdefined.org) lässt diese Eingrenzung zu. Auch ganz unabhängig von dieser formalen Betrachtungsweise würden neue Unklarheiten entstehen:
Das beginnt bereits bei der Frage, wie man „Bildungszwecke“ abstrakt so definieren können sollte, dass sich eine praktikable Richtschnur ergibt. Wenn man dem Paradigma des lebenslangen Lernens folgt, könnte eine solche Definition wohl kaum an institutionelle Bildungsprozesse anknüpfen. Und selbst bei einer solchen Anknüpfung würde sich die Frage stellen, ob, wo und wie eine Grenze zum kommerziellen Bildungsmarkt gezogen werden sollte. Hierzu muss man sich nur die seit über einer Dekade anhaltende Diskussion um das oben bereits genannte CC-Lizenzmerkmal NC („non-commercial“, „nicht-kommerziell“) anschauen, die man sich mit einhandeln würde:
Ist eine Hochschule, die Studiengebühren verlangt, noch vom privilegierten Bildungszweck der OER-Lizenz erfasst? Falls ja, gilt das dann nur, wenn einzig für Zweitstudiengänge Gebühren verlangt werden, und unabhängig von deren Höhe? Wie sieht es mit unternehmensinterner Weiterbildung aus? Ist diese nach der speziellen OER-Lizenz zulässig? Was ist mit Plattformen, bei denen der Bildungszweck nur einer von mehreren ist und sich jeweils aus dem Nutzungskontext ergibt? (In die Wikipedia als einen der wichtigsten Wissensspeicher der Allgemeinheit könnten speziell lizenzierte Inhalte ohnehin nicht integriert werden, da von der Wikipedia-Community aus den hier genannten Gründen nur allgemeine Open-Content-Lizenzen zugelassen werden).
Je mehr man sich klarmacht, auf wieviele verschiedene Arten Menschen inzwischen täglich und lebenslang lernen, desto absurder muss einem der Versuch erscheinen, dies für eine spezielle OER-Lizenz in eine sinnvolle Definition zu pressen. Jeder denkbare Wortlaut würde einen amorphen Graubereich von Nutzungen erzeugen, bei denen wahrscheinlich sogar in Auslegung geschulte Juristen ihre Mühe hätten, zu ermitteln, ob die Lizenz nun greift oder nicht. Das verweist auf das übergeordnete Problem der Komplexität anzuwendender rechtlicher Regeln und die beiden negativen Folgen, die aus dieser Komplexität erwachsen:
Selbst wenn sich die verschiedenen zu beachtenden Lizenzen als Regelsysteme juristisch einigermaßen sicher juristisch auslegen ließen, würden sie sich in ihrere Aussage zwangsläufig teilweise widersprechen (rechtliche Inkompatibilität) und die meisten Nicht-Juristen würden wahrscheinlich schon deutlich vor dem Stadium der rechtlichen Analyse überfordert aufgeben (Verwirrung der Nutzer). Diese Probleme liegen in der Natur der Sache und sind letztlich unvermeidlich.
Rechtliche Inkompatibilitäten
Wie im ersten Abschnitt bereits beschrieben, sind Nutzungsszenarien, die sich auf eine Vielzahl bilateraler Lizenzverträge stützen, immer komplexer und fehleranfälliger als eine per Gesetz für alle gleichermaßen geltende Nutzungserlaubnis. Einen großen Anteil an dieser Fehleranfälligkeit haben bereits die im Vergleich zu Gesetzen deutlich komplexere innere Struktur von Lizenzverträgen und der Umstand, dass Verträge unter Umständen scheitern können und stets nur zwischen den Parteien gelten, siehe dazu oben in Abschnitt I.
Noch viel komplexer als bei lizenzbasierten rechtlichen Konstrukten ohnehin schon, wird es dann aber, wenn verschiedene unterschiedliche und sich teils widersprechende Lizenzverträge aufeinander treffen, was sehr oft passiert, wenn – wie bei OER typisch – verschiedene Inhalte aus verschieden lizenzierten Quellen miteinander vermischt werden sollen. Das betrifft nicht nur den Fall, dass verschiedene Lizenzmodelle aufeinander treffen, etwa wenn für ein Video die Free Art License gilt und es mit einem Musikstück unterlegt werden soll, dass unter der CC-Lizenz des Typs BY-NC-SA freigegeben ist. Auch innerhalb des Sets der sechs verschiedenen CC-Lizenzen gibt es Kombinationen, die sich widersprechen, was letztlich dazu führen kann, dass man die verschieden lizenzierten Inhalte voneinander getrennt halten muss.
Unter anderem aus diesem Grund wird auch an Creative Commons seit Jahren immer wieder die Forderung gestellt, die Anzahl der verfügbaren Lizenzvarianten zu reduzieren, etwa alle Varianten mit der Einschränkung „nicht-kommerziell“ (NC) oder „keine Bearbeitung“ (ND) zurückzuziehen. Da sich in der Zeit seit dem Start von Creative Commons 2001/2002 bereits verschiedenste Einsatzszenarien zu allen sechs CC-Lizenzvarianten entwickelt haben, bleibt das komplette Set zwar im Angebot. Um aber die Lizenzlandschaft überschaubar zu halten, wird auch und gerade mit Blick auf OER von wichtigen Organisationen wie der UNESCO mittels Definitionen ein Standard gesetzt, bei dem nur bestimmte CC-Lizenzvarianten geeignet sind, um eine den Definitionen entsprechende OER-Freigabe zu erreichen.
Auf diese Weise werden die in der Praxis zur OER-Freigabe nutzbaren CC-Lizenzen auf die Varianten BY und BY-SA eingegrenzt, teilweise wird zusätzlich noch BY-NC-SA anerkannt. Dieser Schritt entschärft die Komplexität für Nutzer und Ersteller von OER deutlich. Jede weitere Lizenz würde das wieder konterkarieren, und zwar schon dann, wenn es eine auf weltweite Verwendung angelegte neue CC-Lizenzvariante „CC EDU“ gäbe. Noch viel komplexer würde es jedoch, wenn nicht nur Creative Commons eine einzelne spezielle Lizenz für Bildungszwecke entwerfen würde, sondern jedes Land – in Deutschland gegebenenfalls sogar jedes Bundesland – oder gar einzelne Institutionen.
Verwirrung aller Beteiligten
Selbst wenn diese speziellen OER-Lizenzen dann den gängigen OER-Definitionen entsprechen würden, müssten die Verwender von OER, also Lehrende und Lernende, all diese verschiedenen Regelsätze lesen, verstehen und korrekt anwenden. Die Folge wäre eine für juristische Laien nicht mehr zu überblickende Lizenzlandschaft. Deren schlechte Handhabbarkeit wiederum dürfte oft genug die im Einzelfall entscheidende Hürde sein, die ein OER-Projekt zu aufwendig oder rechtlich anfällig werden lässt.
Schon die seit Jahren etablierten allgemeinen Open-Content-Lizenzen – neben denjenigen von Creative Commons sind hier vorallem die des GNU-Projekts sowie einige auf Daten zugeschnittene Lizenzen zu nennen – sind für Menschen ohne Jurastudium alles andere als simpel in der Handhabung, jedenfalls wenn man genauer hinsieht. Bei der CC-Lizenzbedingung „Namensnennung“ etwa, die gemeinhin als einfach Bedingung gilt, passieren in der Praxis regelmäßig Fehler. Mitunter lesen sich Nutzer nicht genau durch, welche Angaben zu machen sind, oder Lizenzgeber machen ihrerseits unklare Vorgaben oder verlangen Nennungen, die über das in der Lizenz geregelte hinausgehen. Auch die CC-Bedingung „ShareAlike“ (SA) hat ihre Tücken, denn sie greift nur dann, wenn durch Bearbeitung ein einheitliches neues Werk entsteht, nicht aber, wenn Werke lediglich kombiniert werden und rechtlich gesehen eigenständig bleiben. Dies zu unterscheiden überfordert bereits viele.
Jede weitere Lizenzoption macht das zu beherrschende Regelwerk größer und stiftet so letztlich potenziell mehr Verwirrung. Auch und gerade im schulischen und übrigen Bildungsbereich sollten aber Inhalte vermittelt werden und nicht das juristische Hochreck im Vordergrund stehen. Insgesamt sollte aus alledem ersichtlich geworden sein, dass und warum die Schaffung neuer Standardlizenzen (auch bezeichnet als „License Proliferation“) nicht nur im Bereich OER, sondern ganz generell und unvermeidlich große Probleme für die Praxis mit sich bringt.
Es bleiben noch ein paar Dinge übrig, die als Argument für spezielle OER-Lizenzen ins Feld geführt werden, so etwa die Ansicht, dass sich dadurch leichter bestimmte lokale, regionale oder nationale Qualitätsstandards durchsetzen ließen. Das an sich ist aber schon kaum mehr als eine Behauptung und es bliebe zu zeigen, inwiefern die Art und Weise der Lizenzierung überhaupt der geeignete Ansatzpunkt für Qualitätssicherung ist. Viel stärker scheint es auf organisatorische und auf die Gruppe der Beteiligten bezogene Rahmenbedingungen anzukommen, wenn man die Qualität der Inhalte beeinflussen will, etwa auf die Teilnahmebedingungen kollaborativer Projekte oder community-gestützte Bewertungssysteme.
III. Fazit
Es wäre höchste Zeit, dass die Gesetzgeber nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit einheitliche und alltagstaugliche gesetzliche Regelungen schaffen, durch die in der Bildung rechtlich das zulässig gemacht wird, was technisch längst möglich und pädagogisch sinnvoll ist. Bis es soweit ist, führt an vertragsrechtlich basierten Lizenzmodellen und einer übergeordneten Koordination durch internationale Organisationen und Initiativen kaum ein Weg vorbei. Spezielle OER-Lizenzen würden dabei mehr schaden als nützen. Vielmehr sollten alle Beteiligten darauf hinarbeiten, den ohnehin fehleranfälligeren Weg über Lizenzmodelle nicht auch noch durch Lizenzproliferation steiniger zu machen.
Autor:
John Weitzmann ist Rechtsanwalt in Berlin mit Arbeitsschwerpunkt IP-Recht und befasst sich auch journalistisch mit Rechtsfragen der digitalen Welt. Seit vielen Jahren ist er zudem ehrenamtlicher Leiter des deutschen CC-Projekts und seit 2013 auch als Regionalkoordinator Europa für Creative Commons tätig.